Darf ich auf Knochenstrukturen massieren?
„Auf dem Knochen zu massieren ist absolut tabu!“ Das hört man als angehender Massagetherapeut bzw. angehende Massagetherapeutin öfters. Aber ist das tatsächlich auch so? Und was genau bedeutet das? Das schauen wir uns in diesem Beitrag gemeinsam an.
Der Unterschied zwischen fester Massage und Streichungen
Zunächst müssen wir zwischen den Intensitäten verschiedener Griffe einer Massage unterscheiden.
Das festere Massieren mit Druck ist die effektive Technik zur Gewebsmobilisation sowie zur Lösung hartnäckiger Verspannungen. Streichungen (auch Effleurage genannt) hingegen sind ein sanftes, flüchtiges Gleiten ohne Druckaufbau. Zur Ausführung werden weiche Körperteile wie die Handflächen oder die sensiblen Fingerkuppen eingesetzt. In der Regel werden Streichungen bei flächigen Körperteilen angewandt. Durch die sanfte Technik können aber auch besonders sensible Regionen wie zum Beispiel die Rippen behutsam und mit Vorsicht ausgestrichen werden. Diese Technik wird durch ihre besonders entspannende Wirkung gerne bei Wellness Massagen oder auch der Klassischen Massage eingesetzt.
Der anatomische Hintergrund
Um die Annahme „auf den Knochen massiert man nicht“ zu verstehen, müssen wir einen Schritt zurückgehen und uns der Thematik aus anatomischer Sicht annähern.
Die komplette Knochenstruktur ist umhüllt von einer sehr sensiblen Knochenhaut, welche auch „Periost“ genannt wird. Diese dünne Gewebeschicht überzieht die Außenfläche aller Knochen und hat sowohl ernährende als auch regenerative Funktionen.
Wird diese Gewebeschicht viel und oft einem zu intensivem Druck ausgesetzt, können sich empfindliche Stellen entwickeln und als Folge sogar Entzündungen der Knochenhaut entstehen. Knochenhautentzündungen können sehr schmerzhaft sein. Sie entstehen in einigen Fällen auch durch Über- und Fehlbelastungen bestimmter Muskelgruppen und kommen daher oft an den gelenknahen Knochenteilen vor. Der Heilungsprozess ist in der Regel äußerst langwierig und kann mehrere Monate dauern. Dass es dazu kommt, möchten wir absolut vermeiden. Jedoch ist Knochenstruktur nicht gleich Knochenstruktur, sodass die Antwort auf unsere Ausgangsfrage doch ein wenig komplexer ist als zunächst angenommen.
Die Grifftechnik macht den Unterschied
Schauen wir uns beispielsweise die Knochenplatte des Schulterblattes an, so verhält es sich bei dieser Körperpartie anders als bei den knöchernen Strukturen der Gelenke, Rückenwirbel und Rippen. Am Schulterblatt darf mit etwas mehr Druck massiert werden, da hier viel Muskulatur involviert ist und sich daher oft Verspannungen manifestieren.
Auf den Knochenstrukturen der Gelenke, der Wirbelkörper des Rückens oder den Rippen hingegen solltest du auf keinen Fall mit festen Griffen und dem Aufbau von Druck arbeiten. Denn hier herrscht eine erhöhte Gefahr der Überreizung der Knochenhaut. Für diese empfindlichen Regionen sind daher sanfte, vorsichtige Streichungen ohne Druck die bessere Variante.
Bei Fußmassagen wenden wir beide Techniken an: Im Fußgewölbe, wo die Muskulatur liegt, darf etwas fester massiert werden. Über den knöchernen Fußrücken gleiten wir lediglich nur mit sanften Streichungen und ohne Druckausübung.
Ein weiteres Paradebeispiel ist die Kreuzbein- und Lendenwirbelgegend – Stichwort Iliosakralgelenk (ISG). In der heutigen Zeit leiden Menschen in dieser Körperpartie unter starken Verspannungen, was mit viel Schmerz, Unbehagen und geminderter Lebensqualität einhergeht. Um diese Verspannungen zu lösen, möchten vor Allem Berufseinsteiger*innen intuitiv mit viel Druck arbeiten. Getreu dem Motto “Viel hilft viel!” – nur leider trifft das nicht immer ganz zu. Stattdessen solltest du hier vorsichtig und mit viel Gefühl vorgehen. Denn baust du zu viel Druck auf, erhöhst du das Risiko in die tiefere Struktur zu arbeiten und die Knochenhaut zu reizen. Angebracht sind hier stattdessen behutsame, kreisende Bewegungen mit nur leichtem Druck.
Und nun? Darf ich auf Knochenstrukturen massieren?
Um zur Anfangsfrage zurückzukommen, ob du auf Knochenstrukturen massieren darfst:
Nein, du solltest nicht auf Knochenstrukturen massieren. Denn eine Überreizung kann eine Knochenhautentzündung zur Folge haben, die nicht nur schmerzhaft ist sondern meist einen langwierigen Heilungsprozess mit sich bringt. Festere Massagen sollten sich demnach auf den muskulären Anteil der zu bearbeitenden Körperregion konzentrieren.
Die mögliche Alternative: Wenn du an diesen empfindlichen Regionen arbeitest, kannst du mit sanften Streichungen und ohne Ausübung von Druck über die Knochenstrukturen gleiten. Auf der einen Seite schonst du mit dieser Technik die empfindlichen Knochenstrukturen. Und auf der anderen Seite empfinden Kund*inne und Patient*innen Streichungen in der Regel als angenehm und werden sich dadurch wunderbar entspannen können.
Eine Ausbildung als beste Basis
Selbstverständlich vermitteln wir dieses Wissen und vieles Mehr als Massageschule in unserem Praxisunterricht. Eine gute Ausbildung berücksichtigt sämtliche Aspekte und stellt die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Massage dar – sowohl für die Klienten oder Patienten als auch den jeweiligen behandelnden Masseur bzw. die behandelnde Masseurin. Bei uns erwirbst du das fachliche Know-how sowie die Fähigkeiten für eine verantwortungsvolle, effektive Massage.